Forschungsprofil

Religiöse Sinnbildung vollzieht sich in und durch Metaphern. In Metaphern wird Sinn von einer semantischen Domäne in eine andere übertragen. Religion, die ihren ultimativen Gegenstand (das Transzendente) niemals wörtlich artikulieren kann, ist auf dieses Verfahren angewiesen.
Der SFB 1475 will diesen Vorgang theoretisch genauer verstehen und methodisch erfassen, um die semantischen Ausformungen von Religion empirisch und komparativ erforschen zu können. So kann die Herausbildung von Religion als soziokulturelles Phänomen besser begriffen und zentrale Entwicklungen innerhalb spezifischer religiöser Traditionen genauer erfasst werden. Der SFB leistet damit einen Beitrag zur Religionsgeschichtsschreibung und zur Beantwortung systematischer Fragestellungen der Religionswissenschaft.

Während es bereits umfangreiche Forschung zu einzelnen Metaphern in religiösen Texten gibt, liegt der innovative Kern des SFBs erstens darin, dass er Metaphorizität als zentrales Prinzip religiöser Sinnbildung fokussiert. Wir verstehen Religion als eine Form von Kommunikation, die ultimative Kontingenz mittels der Transzendenz/Immanenz-Unterscheidung zu bearbeiten sucht. In diesem paradoxen Prozess wird die Metapher benutzt, um aus Bekanntem (Quelldomäne) auf das Unbekannte (Zieldomäne) zu schließen und auf diese Weise religiösen Sinn zu bilden.

Zweitens ermöglicht die multidisziplinäre Zusammensetzung des SFBs vergleichende Studien in einem im Feld einzigartigen Umfang. Die Teilprojekte behandeln Christentum, Islam, Judentum, Zoroastrismus, Jainismus, Buddhismus und Daoismus mit Quellen aus Europa, dem Nahen und Mittleren Osten sowie Süd-, Zentral- und Ostasien. Die Zeitspanne reicht von 3000 v. Chr. bis heute. Die Gliederung der Teilprojekte in drei Sektionen orientiert sich an den grundlegenden sprachlichen Domänen des Physischen, des Psychischen und des Sozialen.

Drittens ist der SFB über ein methodisches Instrumentarium integriert, vor allem durch ein in allen Teilprojekten genutztes Werkzeug zur Metaphernannotation, das hermeneutische Interpretation und computergestützte Analysen komplementiert. In Pilotprojekten werden Letztere weiterentwickelt, auf die Bedürfnisse des SFB zugeschnitten und sukzessive in weiteren Teilprojekten implementiert. Die Forschungskorpora werden in ein Repositorium integriert und alle identifizierten Metaphern mit einem gemeinsamen „Thesaurus religiöser Metaphern“ (TRM) verknüpft. Dieser wird sowohl ein zentrales Ergebnis des SFB als auch ein wichtiges Werkzeug für die weitere komparatistische Arbeit sein.

In der ersten Förderphase konzentriert sich der SFB auf textliches Material. Eine Arbeitsgruppe wird jedoch die Beziehung zwischen Metaphern und materiellen Objekten erkunden und methodische Ansätze entwickeln. In weiteren Förderphasen sollen die theoretische Konzeptualisierung im breiteren Kontext religiöser Zeichenprozesse vorangetrieben sowie innovative Werkzeuge für deren Analyse entwickelt werden.